3. Signalübertragung Grundlagen - Zusammenfassung

Dies ist eine Zusammenfassung des 3. Kapitels des FED-Leitfadens zum High-Speed-Baugruppen-Design. FED-Mitglieder können über die Kapitelübersicht auf den vollständigen Inhalt des Leitfadens zugreifen.

Impulsausbreitung, Impedanz und Rückstromweg
Die Leitungsimpedanz ist der Widerstand, den der Schaltstrom beim Eintritt in die Leitung und fortdauernd bei seinem weiteren Fluss durch die Leitung erfährt. Die Impedanz entsteht aus der Leitungsinduktivität L, die den Strom­­fluss behindert und der Leitungs­kapazität C, die den Strom zum Rückleiter (Potentiallage) ableitet, dem sog. Rückstromweg. Je breiter die Leiterbahn und je geringer ihr Abstand zur Potentiallage ist, desto kleiner wird die Impedanz (der Impuls-/Wellenwiderstand) und desto größer der Stromfluss.

Der Impulsstrom fließt immer sofort zur darunter liegenden Potentiallage zurück und weiter zur Quelle, dem schaltenden IC (bzw. seinem Block-Kondensator). Das setzt sich fort entlang der Leitung, bis der Signalimpuls das Ende (z.B. Empfänger­eingang) erreicht. Kann er dort, nachdem auch die letzte Leitungskapazität mit Ladung auf­gefüllt ist, nicht durch den hochohmigen Empfän­ger weiterfließen, kommt es zur Impulsreflexion. Ein Abschlusswiderstand als Ab­leitung zur Potentiallage, genauso groß wie die Leitungsimpedanz, würde den Weiterfluss ermöglichen und die Reflexion vermeiden.

Für einen Schalt­impuls muss also immer dieses Leitungspaar beachtet werden, das aus der Leiterbahn und der darunter liegenden Potentiallage besteht! Deshalb darf die Potentiallage unter der Leiterbahn auch niemals unterbrochen werden. Sonst sucht sich der Rückstrom einen diffusen, weiten Weg zurück zum IC, wodurch das Signal selbst und andere Signale gestört werden und es zu Abstrahlung kommt (EMV).

Impedanzanpassung (Terminierung) von Leitungen
Zur Vermeidung von Signalreflexionen an Leitungsenden müssen Leitungen, die länger als Lkrit sind, bezüglich ihrer Impedanz angepasst, d.h. terminiert (abgeschlossen) werden. Dies geschieht durch Einfügen eines Terminierungs­wider­stands in die Leitung direkt am Senderausgang (Serienterminierung) oder am Empfängereingang durch einen Parallelwiderstand von der Leitung zur Referenz-Potentiallage (Parallelterminierung). Bei Parallelterminierung stünde am Empfängereingang nur die reduzierte Span­nungs­amplitude an, die durch die Spannungs­teilung am Senderausgang in die Leitung eingespeist wurde. Um den Schaltpegel am Empfänger zu erhöhen, kann deshalb eine Reflexion dort erwünscht sein. Dann muss die reflektierte Welle aber am Sender terminiert werden (-> 3.4).

Terminierungsoptionen einer Impedanz kontrollierten Leitung

Kritische Leitungslänge
Auch bei High-Speed-Layouts müssen nicht alle Leitungen Impedanz kontrolliert sein! Erst wenn die Länge einer Leitung die sog. kritische Länge überschreitet, ist diese Leitung als Übertragungsleitung (Wellen­leitung) zu behandeln, d.h. sie muss dann am Sender bzw. Empfänger Impedanz angepasst (terminiert) sein; Verzweigungen und Leitungs-Diskontinuitäten, wie z.B. Vias, können zu Reflexionen und anderen Signalstörungen führen. Die kritische Länge wird auch hier durch die Schaltflankendauer tflanke bestimmt:

Lkrit = 2550mm ·  tflanke/ns            (> Tabelle der kritischen Längen für Übertragungsprotokolle vor 3.4)

Kurze Leitungs-Diskontinuitäten, z.B. eine Änderung der Leiterbahnbreite bei Durchlaufen von Kontakt-/Steckerfeldern, die kürzer als Lkrit sind, haben kaum störende Auswirkungen auf das Signal.

Zusammenhang zwischen Digitalsignalen, Hochfrequenz und Bandbreite
Ein Rechteck- bzw. Trapezimpuls besteht aus einer Summe (Überlage­rung) von Sinusschwingungen mit verschiedenen Frequenzen: der Grundschwingung und den sog. Ober­wellen, die Vielfache der Grund­frequenz (Schaltfrequenz) der Impulsfolge sind. Damit am Empfänger noch ein gut aus­wert­barer Schalt­pegel ankommt, müssen außer der Schaltfrequenz auch diese Oberwellen mit über­tragen werden; das ist die sog. Bandbreite des Signals. Je schneller die Digitalsignale, je kürzer die Schalt­flanken zur Über­tra­gung großer Datenmengen, desto größer muss die Übertragungsbandbreite der Leitung, des Übertragungs­­kanals sein. Eine Übertragungsleitung hat typischerweise Tiefpasscharakter. Je kürzer die Leitung und je geringer die Dämpfung durch das Basismaterial, desto größer ist die Bandbreite der Leitung. Als sog. 035-Faustformel merken wir uns:

    fmax >= 0,35 /tflanke         (zu übertragende Mindest-Bandbreite einer Impulsfolge mit Flanken tflanke)

Praxisbeispiel: Signale mit 100ps Flanken benötigen eine Übertragungsbandbreite von 3,5GHz

Differentielle Signalübertragung
Differentielle Übertragungsleitungen ermöglichen die Übertragung hoher Bandbreiten bei geringen Schaltpegeln und Schaltleistungen mit minimierter Abstrahlung und erhöhter Störfestigkeit gegen einkoppelnde Felder.  Nachteilig ist der erhöhte Layout­aufwand: Verlegung eines Leitungspaares mit doppeltem Platzbedarf und höhere Pinzahl sowie die Einhaltung nahezu identischer Längen beider Leitungen vom Sender bis zum Empfänger.

Infolge von Biegungen bzw. Leitungsknicken können zwischen den beiden differentiellen Signalanteilen Lauf­zeit­unter­schiede entstehen, die dann eine uner­wünschte Umwandlung von Gegentakt-Signalanteilen (Prinzip der differentiellen Übertragung) in Gleichtakt-Signalanteile (Common Mode) bewirken und in deren Folge das differentielle Signal verzerren. Diese führen zu Signalstörungen beim Empfänger sowie kritischer Abstrahlung, also EMV-Problemen. Mit speziellem, nahezu homogenem Basis­material kann man Signalstörungen durch das Glasfasergewebe weitestgehend vermeiden. (-> 2.4). Die Längenunterschiede durch Leitungsknicke müssen ausgeglichen werden (-> 3.9).

Gleichlängenabweichung – Kompensation am Entstehungsort

Solche Gleichlängenabweichungen müssen in der Nähe ihres Ent­stehungs­orts ausgeglichen werden. Dies sollte dann innerhalb 2…3 cm erfolgen (dicht davor oder dahinter). Erste Priorität hat der Abgleich der Laufzeiten (Synchronität) noch vor Impedanz­abweichungen. Ein Abgleich entfällt, wenn Eingangs- und Ausgangswinkel beim Routing identisch sind, da die Längen in diesem Fall gleich sind.

Der verbleibende Längenunterschied zwischen dem positiven und nega­tiven Leitungspaar unterliegt einer Begrenzung und sollte, abhängig von der Datenrate des zu über­tragenden Signals, einen Maximalwert nicht über­schreiten. Dies soll sicherstellen, dass der gewünschte Phasenunterschied am Signal­­empfänger von 180 Grad (exakter Gegen­takt) möglichst genau eingehalten wird. Wenn von den Designunterlagen der verwen­de­ten Schaltkreise keine Vorgaben gemacht werden, ist ein maximaler Lauflängenunterschied von 1 Grad ein guter Zielwert. Ein DDR3 Signal hat z.B. eine Bitdauer (UI=Unit Intervall) von 468ps (> Tabelle in 3.3). Diese Bitdauer entspricht 180 Grad; somit entspricht 1 Grad 468/180 = 2,6 ps. Bei einer Signal-Aus­breitungs­geschwindigkeit von typ. 150mm/ns (halbe Licht­geschwin­digkeit) entspricht dies einem erlaubten Längen­unter­schied von 0,4 mm.

Lose und feste Kopplung differentieller Leitungen
Der Abstand zwischen differentiellen Leitern bestimmt maßgeblich die Kopplungsstärke k untereinander. Diese hat vielfältige Auswirkungen auf die Übertragungseigenschaften und das Layout. Je größer der Abstand zwischen den Leitern, desto kleiner ist k. Auch die Breite der Leiter­bahnen sowie deren Abstand zur Potentiallage beeinflussen die Koppelstärke. Der Koppelfaktor kann mit Berechnungstools ermittelt werden. Lose Kopplung (k < 10 %) und feste Kopplung (k > 18 %) haben unterschiedliche Aus­wirkungen auf das Layout und die Signalintegrität. So benötigen lose gekoppelte Leiterpaare mehr Layoutplatz, dafür ist das Routen durch Anschlussfelder (Breakout­bereiche) mit entstehenden Abstandsvariationen unkritischer als bei fester Kopplung mit geringem Leiterabstand. Die bei loser Kopplung i.a. breiteren Leiterbahnen bewirken geringer Signaldämpfung und geringeren Crosstalk zu Nachbarleitungen (-> 4.8). Dafür benötigen fest gekoppelte Leiterpaare weniger Platz, sie sind unempfindlicher gegenüber störender Ein­strahlung und verursachen weniger Abstrahlung (EMV -> 3.7).

Lagenkonstruktionen für Differentielle Impedanz

Lagenanordnung und Dämpfung differentieller Leitungen

Die Signaldämpfung durch das Leiterplattenmaterial hängt außer vom Verlustfaktor (Dämpfungsfaktor) Df des Basismaterials und der Rauheit der Kupfer­folie auch von der Lagen­anordnung und der für die gewünschte Impe­danz erforder­lichen Geo­metrie ab. Die außen­liegende Micro­strip wird durch weniger Material umhüllt. Sie hat bei gleicher Impedanz eine höhere Leiter­­breite und dadurch eine gerin­gere Signal­dämpfung.

Obwohl die eingebettete Stripline-Leitung eine höhere Dämpfung aufweist, sprechen folgende Vorteile für eine differentielle Stripline:

Obwohl die eingebettete Stripline-Leitung eine höhere Dämpfung aufweist, sprechen folgende Vorteile für eine differentielle Stripline:

  • Unempfindlicher für Einstrahlung- und Abstrahlung (EMV) da durch die Potentiallagen abgeschirmt.
  • Nicht beeinflussbar durch außen aufgebrachten Lötstopplack und Coating variierender Dicke mit undefinierter Dielektrizitätszahl Dk.
  • Da es sich hier oft um Core-Material handelt, sind die Toleranzen der Schichtdicken und damit der Impe­danzen geringer. Demgegenüber findet beim Verpressen von Kupferlagen mit Prepregs eine Aus­härtung erst während des Pressvorgangs statt, bei dem Harz des Prepregs in die Täler zwischen den Kupferstrukturen fließt, die gegen die Prepreg-Lagen gepresst werden. Somit hat die Kupfer­abdeckung der Gegenlage direkten Einfluss auf die sich nach dem Pressvorgang ergebende Schicht­dicke.

Beachte: Signale auf Innenleitungen haben eine etwas höhere Laufzeit als auf Außenlagen!

Die Dämpfung der Leitung hat oft Tiefpasscharakter, d.h. die höheren Frequenzanteile des Signals werden stärker gedämpft. Damit das Signal am Empfänger noch ausreichend Schaltpegel aufweist und nicht zu sehr ver­schliffen ist (-> 4.6 Augendiagramm), ist eine Längenbegrenzung des Übertragungs­kanals not­wendig (-> 4.5). Außerdem sind Materialien zu wählen, die für die höchste im Design vorkommende Datenrate geeignete Dämpfungs­eigenschaften aufweisen. Je geringer die Leitungsdämpfung innerhalb der Kanalbandbreite ist, desto stabiler die Kommunikation und umso höher die mög­liche Datenrate zwischen Sender und Empfänger.