3. Signalübertragung Grundlagen - Zusammenfassung
Autoren: Markus Neumann, Rainer Thüringer, Hermann Ruckerbauer
Dies ist eine Zusammenfassung des 3. Kapitels des FED-Leitfadens zum High-Speed-Baugruppen-Design. FED-Mitglieder können über die Kapitelübersicht auf den vollständigen Inhalt des Leitfadens zugreifen.
Impulsausbreitung, Impedanz und Rückstromweg
Die Leitungsimpedanz ist der Widerstand, den der Schaltstrom beim Eintritt in die Leitung und fortdauernd bei seinem weiteren Fluss durch die Leitung erfährt. Die Impedanz entsteht aus der Leitungsinduktivität L, die den Stromfluss behindert und der Leitungskapazität C, die den Strom zum Rückleiter (Potentiallage) ableitet, dem sog. Rückstromweg. Je breiter die Leiterbahn und je geringer ihr Abstand zur Potentiallage ist, desto kleiner wird die Impedanz (der Impuls-/Wellenwiderstand) und desto größer der Stromfluss.
Der Impulsstrom fließt immer sofort zur darunter liegenden Potentiallage zurück und weiter zur Quelle, dem schaltenden IC (bzw. seinem Block-Kondensator). Das setzt sich fort entlang der Leitung, bis der Signalimpuls das Ende (z.B. Empfängereingang) erreicht. Kann er dort, nachdem auch die letzte Leitungskapazität mit Ladung aufgefüllt ist, nicht durch den hochohmigen Empfänger weiterfließen, kommt es zur Impulsreflexion. Ein Abschlusswiderstand als Ableitung zur Potentiallage, genauso groß wie die Leitungsimpedanz, würde den Weiterfluss ermöglichen und die Reflexion vermeiden.
Für einen Schaltimpuls muss also immer dieses Leitungspaar beachtet werden, das aus der Leiterbahn und der darunter liegenden Potentiallage besteht! Deshalb darf die Potentiallage unter der Leiterbahn auch niemals unterbrochen werden. Sonst sucht sich der Rückstrom einen diffusen, weiten Weg zurück zum IC, wodurch das Signal selbst und andere Signale gestört werden und es zu Abstrahlung kommt (EMV).
Impedanzanpassung (Terminierung) von Leitungen
Zur Vermeidung von Signalreflexionen an Leitungsenden müssen Leitungen, die länger als Lkrit sind, bezüglich ihrer Impedanz angepasst, d.h. terminiert (abgeschlossen) werden. Dies geschieht durch Einfügen eines Terminierungswiderstands in die Leitung direkt am Senderausgang (Serienterminierung) oder am Empfängereingang durch einen Parallelwiderstand von der Leitung zur Referenz-Potentiallage (Parallelterminierung). Bei Parallelterminierung stünde am Empfängereingang nur die reduzierte Spannungsamplitude an, die durch die Spannungsteilung am Senderausgang in die Leitung eingespeist wurde. Um den Schaltpegel am Empfänger zu erhöhen, kann deshalb eine Reflexion dort erwünscht sein. Dann muss die reflektierte Welle aber am Sender terminiert werden (-> 3.4).
Kritische Leitungslänge
Auch bei High-Speed-Layouts müssen nicht alle Leitungen Impedanz kontrolliert sein! Erst wenn die Länge einer Leitung die sog. kritische Länge überschreitet, ist diese Leitung als Übertragungsleitung (Wellenleitung) zu behandeln, d.h. sie muss dann am Sender bzw. Empfänger Impedanz angepasst (terminiert) sein; Verzweigungen und Leitungs-Diskontinuitäten, wie z.B. Vias, können zu Reflexionen und anderen Signalstörungen führen. Die kritische Länge wird auch hier durch die Schaltflankendauer tflanke bestimmt:
Lkrit = 25…50mm · tflanke/ns (> Tabelle der kritischen Längen für Übertragungsprotokolle vor 3.4)
Kurze Leitungs-Diskontinuitäten, z.B. eine Änderung der Leiterbahnbreite bei Durchlaufen von Kontakt-/Steckerfeldern, die kürzer als Lkrit sind, haben kaum störende Auswirkungen auf das Signal.
Zusammenhang zwischen Digitalsignalen, Hochfrequenz und Bandbreite
Ein Rechteck- bzw. Trapezimpuls besteht aus einer Summe (Überlagerung) von Sinusschwingungen mit verschiedenen Frequenzen: der Grundschwingung und den sog. Oberwellen, die Vielfache der Grundfrequenz (Schaltfrequenz) der Impulsfolge sind. Damit am Empfänger noch ein gut auswertbarer Schaltpegel ankommt, müssen außer der Schaltfrequenz auch diese Oberwellen mit übertragen werden; das ist die sog. Bandbreite des Signals. Je schneller die Digitalsignale, je kürzer die Schaltflanken zur Übertragung großer Datenmengen, desto größer muss die Übertragungsbandbreite der Leitung, des Übertragungskanals sein. Eine Übertragungsleitung hat typischerweise Tiefpasscharakter. Je kürzer die Leitung und je geringer die Dämpfung durch das Basismaterial, desto größer ist die Bandbreite der Leitung. Als sog. 035-Faustformel merken wir uns:
fmax >= 0,35 /tflanke (zu übertragende Mindest-Bandbreite einer Impulsfolge mit Flanken tflanke)
Praxisbeispiel: Signale mit 100ps Flanken benötigen eine Übertragungsbandbreite von 3,5GHz
Differentielle Signalübertragung
Differentielle Übertragungsleitungen ermöglichen die Übertragung hoher Bandbreiten bei geringen Schaltpegeln und Schaltleistungen mit minimierter Abstrahlung und erhöhter Störfestigkeit gegen einkoppelnde Felder. Nachteilig ist der erhöhte Layoutaufwand: Verlegung eines Leitungspaares mit doppeltem Platzbedarf und höhere Pinzahl sowie die Einhaltung nahezu identischer Längen beider Leitungen vom Sender bis zum Empfänger.
Infolge von Biegungen bzw. Leitungsknicken können zwischen den beiden differentiellen Signalanteilen Laufzeitunterschiede entstehen, die dann eine unerwünschte Umwandlung von Gegentakt-Signalanteilen (Prinzip der differentiellen Übertragung) in Gleichtakt-Signalanteile (Common Mode) bewirken und in deren Folge das differentielle Signal verzerren. Diese führen zu Signalstörungen beim Empfänger sowie kritischer Abstrahlung, also EMV-Problemen. Mit speziellem, nahezu homogenem Basismaterial kann man Signalstörungen durch das Glasfasergewebe weitestgehend vermeiden. (-> 2.4). Die Längenunterschiede durch Leitungsknicke müssen ausgeglichen werden (-> 3.9).
Gleichlängenabweichung – Kompensation am Entstehungsort
Solche Gleichlängenabweichungen müssen in der Nähe ihres Entstehungsorts ausgeglichen werden. Dies sollte dann innerhalb 2…3 cm erfolgen (dicht davor oder dahinter). Erste Priorität hat der Abgleich der Laufzeiten (Synchronität) noch vor Impedanzabweichungen. Ein Abgleich entfällt, wenn Eingangs- und Ausgangswinkel beim Routing identisch sind, da die Längen in diesem Fall gleich sind.
Der verbleibende Längenunterschied zwischen dem positiven und negativen Leitungspaar unterliegt einer Begrenzung und sollte, abhängig von der Datenrate des zu übertragenden Signals, einen Maximalwert nicht überschreiten. Dies soll sicherstellen, dass der gewünschte Phasenunterschied am Signalempfänger von 180 Grad (exakter Gegentakt) möglichst genau eingehalten wird. Wenn von den Designunterlagen der verwendeten Schaltkreise keine Vorgaben gemacht werden, ist ein maximaler Lauflängenunterschied von 1 Grad ein guter Zielwert. Ein DDR3 Signal hat z.B. eine Bitdauer (UI=Unit Intervall) von 468ps (> Tabelle in 3.3). Diese Bitdauer entspricht 180 Grad; somit entspricht 1 Grad 468/180 = 2,6 ps. Bei einer Signal-Ausbreitungsgeschwindigkeit von typ. 150mm/ns (halbe Lichtgeschwindigkeit) entspricht dies einem erlaubten Längenunterschied von 0,4 mm.
Lose und feste Kopplung differentieller Leitungen
Der Abstand zwischen differentiellen Leitern bestimmt maßgeblich die Kopplungsstärke k untereinander. Diese hat vielfältige Auswirkungen auf die Übertragungseigenschaften und das Layout. Je größer der Abstand zwischen den Leitern, desto kleiner ist k. Auch die Breite der Leiterbahnen sowie deren Abstand zur Potentiallage beeinflussen die Koppelstärke. Der Koppelfaktor kann mit Berechnungstools ermittelt werden. Lose Kopplung (k < 10 %) und feste Kopplung (k > 18 %) haben unterschiedliche Auswirkungen auf das Layout und die Signalintegrität. So benötigen lose gekoppelte Leiterpaare mehr Layoutplatz, dafür ist das Routen durch Anschlussfelder (Breakoutbereiche) mit entstehenden Abstandsvariationen unkritischer als bei fester Kopplung mit geringem Leiterabstand. Die bei loser Kopplung i.a. breiteren Leiterbahnen bewirken geringer Signaldämpfung und geringeren Crosstalk zu Nachbarleitungen (-> 4.8). Dafür benötigen fest gekoppelte Leiterpaare weniger Platz, sie sind unempfindlicher gegenüber störender Einstrahlung und verursachen weniger Abstrahlung (EMV -> 3.7).
Lagenanordnung und Dämpfung differentieller Leitungen
Die Signaldämpfung durch das Leiterplattenmaterial hängt außer vom Verlustfaktor (Dämpfungsfaktor) Df des Basismaterials und der Rauheit der Kupferfolie auch von der Lagenanordnung und der für die gewünschte Impedanz erforderlichen Geometrie ab. Die außenliegende Microstrip wird durch weniger Material umhüllt. Sie hat bei gleicher Impedanz eine höhere Leiterbreite und dadurch eine geringere Signaldämpfung.
Obwohl die eingebettete Stripline-Leitung eine höhere Dämpfung aufweist, sprechen folgende Vorteile für eine differentielle Stripline:
Obwohl die eingebettete Stripline-Leitung eine höhere Dämpfung aufweist, sprechen folgende Vorteile für eine differentielle Stripline:
- Unempfindlicher für Einstrahlung- und Abstrahlung (EMV) da durch die Potentiallagen abgeschirmt.
- Nicht beeinflussbar durch außen aufgebrachten Lötstopplack und Coating variierender Dicke mit undefinierter Dielektrizitätszahl Dk.
- Da es sich hier oft um Core-Material handelt, sind die Toleranzen der Schichtdicken und damit der Impedanzen geringer. Demgegenüber findet beim Verpressen von Kupferlagen mit Prepregs eine Aushärtung erst während des Pressvorgangs statt, bei dem Harz des Prepregs in die Täler zwischen den Kupferstrukturen fließt, die gegen die Prepreg-Lagen gepresst werden. Somit hat die Kupferabdeckung der Gegenlage direkten Einfluss auf die sich nach dem Pressvorgang ergebende Schichtdicke.
Beachte: Signale auf Innenleitungen haben eine etwas höhere Laufzeit als auf Außenlagen!
Die Dämpfung der Leitung hat oft Tiefpasscharakter, d.h. die höheren Frequenzanteile des Signals werden stärker gedämpft. Damit das Signal am Empfänger noch ausreichend Schaltpegel aufweist und nicht zu sehr verschliffen ist (-> 4.6 Augendiagramm), ist eine Längenbegrenzung des Übertragungskanals notwendig (-> 4.5). Außerdem sind Materialien zu wählen, die für die höchste im Design vorkommende Datenrate geeignete Dämpfungseigenschaften aufweisen. Je geringer die Leitungsdämpfung innerhalb der Kanalbandbreite ist, desto stabiler die Kommunikation und umso höher die mögliche Datenrate zwischen Sender und Empfänger.