Leitfaden High-Speed-
Leiterplattendesign

Alles für den Einstieg ins High-Speed-Design

Dieser Leitfaden soll Leiterplatten-Designern/-Layoutern mit einigen Jahren Berufserfahrung den Einstieg in sog. High-Speed-Designs erleichtern. In den Grundlagen werden Fachbegriffe und Besonderheiten des HS-Designs erklärt, anschließend die erforderlichen Layout-Maßnahmen beispielhaft dargestellt und begründet. Im Interesse von Kürze können nicht alle erforderlichen Fachkenntnisse in der Tiefe behandelt werden. Ergänzend empfiehlt sich daher der 3-tägige FED-Weiterbildungskurs High-Speed-Design, in dem Themen, auch mittels Übungen, interaktiv behandelt und offene Fragen besprochen werden können.

Wann spricht man von High-Speed-Design?
Bei Elektronikschaltungen spricht man von High-Speed, wenn wesentliche Digital-Bauteile extrem schnell schalten. Extrem schnell sind die Signalflanken, die im Pico- bis Nanosekunden ihren High-Low-Zustand ändern. Diese Signale breiten sich als Wellenfronten, analog einem Tsunami, auf den Leitungen der Baugruppe aus und verursachen dadurch verschiedenartige Störungen, sofern die Leitungen nicht speziell (als Wellenleitungen mit Impedanzen) konstruiert werden und am Ende der schnelle Abfluss des Signals sichergestellt ist, sodass Reflexionen auftreten (→ Terminierung).

Wie unterscheiden sich High Speed Designs von „normalen“ Designs?
Erforderliche Maßnahmen sind z.B. ein Lagenaufbau, bei dem für jede Signallage eine Kupferlage als sog. Referenzlage (meist GND oder VDD) unmittelbar darüber oder darunter platziert ist. Die Leiterbahnen müssen eine konstante Breite haben und dürfen keine Verzweigungen (max. wenige mm) aufweisen: ihre Impedanz muss konstant bleiben. Die Längen der beiden Leitungen, die als Paar eine Differentielle Leitung bilden, dürfen sich, abhängig von der Schnelligkeit der Signalflanken, nur sehr wenig unterscheiden, mm bis zehntel mm. Die Stromversorgung muss durch ein sehr dicht übereinander liegendes Potentiallagenpaar GND-VDD erfolgen (typ. 1/10 mm oder weniger) und Kondensatoren müssen sehr dicht bei den schnell schaltenden Bauteilen platziert werden um diese schnellstmöglich mit Strom zu versorgen. Am Anfang oder am Ende der Leitungen müssen sog. Terminierungswiderstände eingefügt werden, sofern die Leitung nicht extrem kurz ist oder diese Widerstände schon im Empfängerbaustein integriert sind. Bei einem Lagenwechsel eines High-Speed-Signals durch Potentiallagen hindurch muss ab GHz-Signalen zusätzlich zum Signal-Via dicht daneben ein sog. Rückstrom-Via platziert werden. Die hier aufgeführten Maßnahmen sind nicht vollständig; weitere werden im Leitfaden erläutert.

Die für ein High-Speed-Design erforderlichen Maßnahmen sind gleichzeitig auch wirksam gegen elektromagnetische Störungen; sie verbessern die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) des Layouts, also verringern die Störabstrahlung und erhöhen die Störfestigkeit gegenüber externen EM-Feldern.

Was erwartet mich
Das erste Kapitel gibt einen Überblick über die zahlreichen Aspekte und Herausforderungen, die ein Leiterplatten-Designer, insbesondere für High-Speed-Designs, berücksichtigen muss. Die angesprochenen Themen werden in den weiteren Kapiteln detailliert behandelt.

Im zweiten Kapitel beginnen wir mit der Planung des konstruktiven Aufbaus der Leiterplatte. Ausgehend von den Leiterplatten-Materialien mit ihren HS-Eigenschaften als Grundelemente für die Herstellung einer Leiterplatte werden verschiedene Multilayer-Lagenaufbauten hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile für High-Speed-Anwendungen vorgestellt. Mit vorgeplantem Lagenaufbau kann das Layout der Signallagen beginnen.

Im dritten Kapitel werden die Grundlagen zur High-Speed-Signalübertragung mittels Impedanz-kontrollierter Leitungen sowie deren Anordnung und Terminierung vermittelt. Die besonderen Anforderungen an die Verlegung und den Längenausgleich differentieller Leitungspaare beschließen das Kapitel.

Daraus ergeben sich die Layoutmaßnahmen für die HS-Signalübertragung in der Praxis, dem vierten Kapitel. Im Zentrum steht das Arbeiten mit Designtools, das Layout der Schaltung, insbesondere die Leitungsführung und Auslegung von Memory-Interfaces sowie die Strategie bei der Leitungsverlegung von Bussystemen. Die Auswirkung der Signaldämpfung und Signalverschleifung durch das Leiterplattenmaterial und die daraus folgenden Layoutregeln vervollständigen das Kapitel. Wichtige Regeln für die Belegung und Ausführung von Steckern mit Beispielen bilden das kompakte fünfte Kapitel.

Vervollständigt wird das Leiterplattendesign im abschließenden sechsten Kapitel durch eine, den extrem schnellen Schaltanforderungen entsprechende, High-Speed-Stromversorgung, die ggf. auch hohe DC-Ströme übertragen muss. Das sog. Power-Distribution-Network (PDN) muss durch geeignet angeordnete Potentiallagen und Kondensatoren eine möglichst geringe Impedanz für Impulsströme aufweisen. Das Modell eines PDN mit der erforderlichen Zielimpedanz dient dem Verständnis der komplexen Funktionen des Stromversorgungsystems. 

Als Anhang enthält der High-Speed-Leitfaden eine umfangreiche Quellenübersicht mit Links zu High-Speed-Tools im Internet, vorwiegend Freeware-Angeboten. Das Spektrum umfasst Lagenaufbauplaner, numerische Impedanz-Kalkulationsprogramme, Berechnung resultierender PDN-Impedanzverläufe mit Kondensatoren und Vias, kostenfreie Versionen von Design- und Layoutwerkzeugen, Schaltungssimulatoren, Testversionen von 3D-Feldsimulationstools und Auswertungssoftware für Oszilloskop-Daten.

Gießen/Berlin, im Juni 2024
Rainer Thüringer