6. Das Stromversorgungssystem - Zusammenfassung
Autor: Prof. Dr. Rainer Thüringer
Dies ist eine Zusammenfassung des 6. Kapitels des FED-Leitfadens zum High-Speed-Baugruppen-Design. FED-Mitglieder können über die Kapitelübersicht auf den vollständigen Inhalt des Leitfadens zugreifen.
Die aktiven Bauelemente einer Schaltung benötigen ein Versorgungsspannungssystem, das den jeweils benötigten Strom innerhalb vorgegebener Toleranzgrenzen der Betriebsspannungen bereitstellen kann – und dies stabil auch bei impulsartigen Stromanforderungen. Neben der Bereitstellung von Ladungen (Strom) übernimmt dieses Netzwerk auch die Aufgabe der Störunterdrückung und ermöglicht einen Rückstrompfad für die Signale der Schaltung.
Bei digitalen High-Speed-Schaltungen müssen diese Anforderungen über einen entsprechend größeren Frequenzbereich (dem Impulsspektrum -> 3.2 Bandbreite) abgedeckt werden. Entscheidend ist hier nicht nur die reine DC-Stromtragfähigkeit der Zuleitungen, auch die Impedanz des gesamten Stromversorgungssystems muss für die Anwendung optimiert werden. Dabei spielen passende Kondensatoren und deren Platzierung im Layout eine entscheidende Rolle.
Bei größerer Anzahl von Bauelementen mit vergleichbaren Anforderungen an die Spannungsversorgung werden bei Multilayer-Lagenaufbauten statt einzelner Zuleitungen größere Kupferflächen oder ganze Kupferlagen (Layer) zur Verteilung genutzt, die eine ganz erheblich geringere Induktivität aufweisen.
Definitionen und Vereinbarungen bzgl. Spannungen
Zur Planung der Anzahl der PWR-Lagen und segmentierten Kupferflächen für Versorgungsspannungen müssen zunächst alle erforderlichen Spannungen mit den zugehörigen Bezugsmassen (x-GND) definiert werden. Je nach Schaltungsstruktur und Funktionalität können mehrere Referenzspannungslagen (d.h. Bezugsmassen) zum Einsatz kommen, z.B. Analog-GND, Digital-GND, Power-GND für Leistungsstufen oder die Chassis-/Filtermasse für die Schirmauflegung mit kurzer Anbindung an das Gehäuse (-> 6.1.2). Gleichzeitig ist GND auch Rückstrompfad für die Signale. Eine zu starke GND-Aufteilung (Splitten) ist daher zu vermeiden, um Rückstrompfade nicht zu unterbrechen.
DC-Stromtragfähigkeit
Für alle Spannungszuleitungen, egal ob als breite, flächige Leiterbahn oder als Potentialfläche, ist darauf zu achten, dass Power und zugehörige Massebezugsfläche (x-GND) kleinstmögliche Schleifen bilden, und dazu dicht übereinander verlaufen, um die Induktivität der Zuführung sowie EMV-Störungen durch Schaltvorgänge zu minimieren. Bei der Dimensionierung stromführender Leiterbahnen oder Potentiallagen entscheiden der zulässige Spannungsabfall (IR-Drop) sowie die strominduzierte Erwärmung über die erforderliche Breite und Dicke der Kupferleiterbahnen bzw. Potentialflächen. Aussparungen für Vias reduzieren z.B. den effektiven Leitungsquerschnitt. Der Spannungsabfall sollte so gering sein, dass die Toleranzvorgaben der Bausteine zu den Betriebsspannungen eingehalten werden. Dabei hilft eine IR-Drop-Analyse, die bereits bei vielen EDA-Tools direkt zur Verfügung gestellt wird.
Impulsfeste Stromversorgung
Schwerpunkt der Planung des PDN ist die stabile, impulsfeste Stromversorgung schnell schaltender Bauteile. Dabei steht zunächst die Sicherstellung der impulsartigen Stromzufuhr der Bauteile im Vordergrund, die durch die Zuleitungsinduktivität gemäß Δi/Δt ≤ U0/L begrenzt wird. Bei vorgegebenen Spannungen sowie den tolerierbaren Spannungsabfällen am Bauteil muss vielfach auch die Induktivität der Stromzufuhr so klein wie möglich konstruiert werden. Dies ist essentiell für die Funktion schnell schaltender, stromstarker Bauteile. Für eine geringe Zuleitungsinduktivität ist eine flächige Stromzufuhr Voraussetzung. Gleichzeitig muss die zugehörige GND-Bezugsfläche/-lage so dicht wie möglich unter dieser Stromzufuhr angeordnet sein. Vollflächige, eng beieinander liegende Potentiallagen bilden eine ideale Stromversorgung.
Ziel-Impedanz des Stromversorgungssystems
Verbunden mit der Induktivität des Stromversorgungssystems ist dessen Impedanz ZPDN, das ist der Impuls- oder Wellenwiderstand für die angeforderten Impulsströme. Schaltet ein Baustein und fordert Ladungen an, also einen Stromfluss, so muss dieser vom System kurzfristig geliefert werden, wobei die Spannung am Bauteil nur geringfügig niedriger als die an den Potentiallagen anliegenden Betriebsspannung sein soll. Der Impulsstrom muss, getrieben durch diese geringe Spannungsdifferenz ΔU, gegen den Impulswiderstand, die Impedanz des Versorgungssystems, fließen können: ΔI = ΔU / ZPDN.
Der maximal erforderliche Schaltstrombedarf ΔI = Imax– Imin mit der zulässigen Spannungstoleranz am stromstärksten Bauteil definiert somit eine maximale Ziel-/Target-Impedanz des Versorgungssystems.
Diese Impedanz muss für jeden Versorgungspin des Bauteils erreicht werden. Für ein Potentiallagenpaar von 100mm Breite und 0,1mm Lagenabstand mit FR4 (εr=4) als Dielektrikum wäre Zpot ≈ 188mOhm, also wesentlich höher als die erforderlichen 12mOhm. Je kleiner der Lagenabstand, desto geringer wird die Impedanz. Aus Gründen der Spannungsfestigkeit sind 0,1mm (100µm) jedoch typisch, minimal 50µm noch praktikabel; das wären immer noch 94 mOhm.
Allerdings reicht die Kapazität dieses Leiterplattenkondensators von wenigen nF nicht aus, den Ladungsbedarf stromstarker, schaltender Bauelemente zu befriedigen. Dies erfordert zusätzlich zum Stützkondensator an der Spannungsquelle (bzw. Einspeisung auf der Leiterplatte) den Einsatz weiterer Kondensatoren über der Potentialfläche verteilt. Diese dienen gleichzeitig auch als Verbindung zwischen GND und VCC für die Rückströme der Signale die über VCC-Lagen geroutet sind.
Aufgrund der frequenzabhängigen Impedanzen der Kondensatoren (mit Maxima und Minima durch deren Zusammenschalten), der induktiv wirkenden Zuleitungen und Anschlüsse sowie den frequenzabhängigen Verlusten im Dielektrikum führt das Zusammenspiel aller Komponenten im Stromversorgungssystem zu einer frequenzabhängigen Impedanz. Diese Impedanz muss als Zielimpedanz auf die Erfordernisse des Schaltkreises/des Verbrauchers, also für alle im System auftretenden Frequenzen, abgestimmt sein.
Die Grenze der Beeinflussung durch Kondensatoren liegt bei etwa 100MHz; der nächst höhere Frequenzbereich wird durch das Layout und den Potentiallagenaufbau abgedeckt. Bei noch höheren Frequenzen muss der Bauteilehersteller entsprechende Vorkehrungen im IC-Design treffen, wie z.B. Package-Kondensatoren neben dem Die und IC-interne Kapazitäten durch das IC-Layout selbst
Vor allem die parasitären Induktivitäten der Zuleitungen und Vias begrenzen die Wirksamkeit der Kondensatoren. Je größer die Induktivitäten, umso langsamer „reagiert“ der Kondensator bzgl. Spannungsschwankungen. Ziel ist immer die kleinste erreichbare Schleifeninduktivität, d.h. die Vias zum Kondensator und IC sollten möglichst kleine Schleifen bilden, also möglichst nahe an den Anschlusspads geroutet werden. Die Länge der Vias kann minimiert werden, indem man die GND und VCC (PWR) Lagen/Flächen dicht unter der Oberfläche bzw. den Bauteilen anordnet.
Zusammenschalten von Kondensatoren – das PDN
Für das Zusammenwirken der Kondensatoren ist deren Auswahl (Typ, Größe), ihre Platzierung und Verschaltung zueinander sowie zum aktiven Bauteil (IC) entscheidend zum Erreichen der Zielimpedanz. Im vorliegenden Kapitel sind dazu zahlreiche Beispiele aufgeführt (-> 6.4.4). Ganz wesentlich ist dabei, die Verbindung zwischen den Kondensatoren mit geringst möglicher Induktivität zu realisieren und induktivitätsarme Kondensator-Gehäusebauformen (kurze Abstände zwischen den Anschlüssen) zu verwenden. Das Parallelschalten mehrerer Kondensatoren verringert die Gesamtinduktivität und damit auch die Impedanz. Dabei ist auf eine mögliche Resonanz zu achten, die beim Einsatz verschiedener Kondensatorgrößen störend in Erscheinung treten kann.